1. Wer Geschäftsanteile überträgt oder sich nur dazu verpflichtet, muss zum Notar: § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG schreiben das vor. Und darum müssen Gründer oder ihre Investoren oft doppelt zahlen, wenn sie ihren Gesellschaftsvertrag beurkunden lassen; denn wer im Rahmen einer (Reverse-) Vesting- Klausel bereits im Gesellschaftsvertrag seine Anteile den übrigen Gesellschaftern anbietet, bereitet dem Notar mit dem Gebührentatbestand des Angebost zum Kauf der Anteile zusätzliche Freude.
2. So weit kommt erst gar nicht, wer sich gerne verpflichten würde, es aber nicht kann: so z.B. Verpflichtet aus einer Drag Along oder Tag Along Klausel; denn da steht der Kaufpreis oder der Käufer der Anteile noch gar nicht fest – ein Angebot wäre zu unbestimmt und daher unwirksam. Wenn es nun zu einem Drag-/Tag-Fall kommt und sich der verpflichtete Gesellschafter weigert, drohen langwierige Rechtsstreitigkeiten.
3. Für diese beiden Fälle gibt es eine elegante Lösung:
Die Vollmacht – sie kann Notarkosten sparen und Geschäftabläufe beschleunigen.
Denn zum einen sind Vollmachten formfrei:
nach § 167 Abs. 2 BGB müssen sie nicht in derselben Form abgegeben werden wie die Willenserklärung, zu der sie berechtigen – also nicht der notariellen Form nach § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG; und das gilt sogar für unwiderrufliche Vollmachten! Sie müssen nur bestimmt genug sein, d.h. es muss klar sein, wer für welchen Fall die Geschäftsanteile verkaufen und übertragen darf. Beim Vesting ist das ja vertraglich genau bestimmt, inklusive Kaufpreis. Zwar muss der Bevollmächtigte dann selbst zum Notar und die Gebühren fallen doch an, aber eben nur, falls es zum Vesting-Fall kommt.
Zum anderen gewähren Vollmachten Handlungsspielraum:
Der Bevollmächtigte ist nicht zu 100% festgelegt und genau deshalb müssen Vollmachten nicht so bestimmt sein wie der spätere Vertrag. Daher können sich die Gesellschafter schon in der Satzung gegenseitig zum Verkauf und zur Abtretung ihrer Anteile beim Drag und Tag Along bevollmächtigen; der Kaufpreis wird durch den Drag & Tag-Falll bestimmbar und der Käufer muss noch nicht feststehen.
Dass der Vollmachtgeber durch die unwiderruflichen Vollmachten schon faktisch gebunden wird, stört nur wenige Juristen, aber nicht die Gerichte: denn anders als bei der Pflicht der notariellen Beurkundung von Grundstücksverkäufen soll § 15 GmbHG nicht vor Übereilung schützen. Ein voreiliger Vollmachtgeber hat mit anderen Worten Pech gehabt. Dass der Kauf dann schließlich doch beurkundet wird, genügt den Anforderungen, da es die Form eben nur der Rechtssicherheit dient.
Zwei Nachteile hat der Spaß dennoch:
1. Natürlich kann der Vollmachtgeber die Anteile zuvor selbst verkaufen und die Vollmacht geht ins Leere. Daher ist die Vollmacht in der Satzung um eine Vinkulierungsklausel zu ergänzen: Abtretungen sind nur mit Zustimmung der Gesellschafter wirksam. Und da im Falle des gewollten Tags/Drags diese Zustimmung verweigert werden kann, ist sie schon vorab in der Satzung zu erklären.
2. Nicht so häufig, aber umso schlimmer: falls der Vollmachtgeber insolvent wird, rückt der Anteilsverkauf in weite Ferne. Da hilft beim Vesting nur eine Call-Option, d.h. der Verkäufer gibt bereits jetzt ein unwiderrufliches Angebot ab.