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Blick unter die Robe: Wie arbeiten Rechtsanwälte für Ihr Geld?

  • Robe

Anwälte lassen sich nur ungern in die Karten blicken. Das mag zum einen mit dem berufsbedingten Misstrauen zu tun haben, zum anderen aber mit einer gehörigen Portion Eigenschutz. Denn wenn ihre Mandanten wüssten, wie ihre Rechnungen so zustande kommen, würden sie sie nicht zahlen.

Abgesehen von Gerichtsverfahren verdienen die meisten Anwälte ihr Geld pro Stunde mit Sätzen von ca. 180 Euro bis 500 Euro. Das hat oft den positiven Effekt, dass Anwälte nichts übereilen und gründlich arbeiten. Aber noch öfter hat es den negativen Effekt, dass sie ineffizient arbeiten und das Stundenkonto so weit es geht ausschlachten. Man spricht dann auch vom „Mandanten-Melken“. Denn die tatsächlich in Rechnung gestellten Stunden sind weniger das Ergebnis einer minutengerechten Abrechnung, sondern eher das einer wirtschaftlichen Berechnung: nämlich der, wie viel der Mandant zahlen könnte. Der Mandant zahlt also nicht, wie viel Arbeit er bereitet, sondern wie viel er zahlen kann, ohne schreiend davonzulaufen. Natürlich wird den befassten Mitarbeitern auch vorab gesagt, wie viele Stunden sie in einen Mandanten investieren können und sollen. Auf den Abrechnungspositionen tauchen dann Recherche, Korrespondenz und Vertragsarbeit auf, ohne dass der Mandant eine leise Ahnung hat, wie angemessen diese Zeiten letztendlich sind.

In vielen Fällen basiert diese Abrechnung gar nicht auf bösem Willen oder Egoismus: der Anwalt rechnet ja nur ab, was er gearbeitet hat. Da findet er mehrere ähnliche, aber nur leidlich nützliche Urteile und obwohl dem Mandanten die juristischen Finessen gleich sind, erhält er einen detaillierten Bericht über die Erkenntnisse des Anwalts – schließlich zahlt er ja dafür. Dass der Mandant oft nur eine simple Frage beantwortet haben möchte oder ihm mit weniger Recherche besser gedient gewesen wäre, spielt keine Rolle. Denn gezahlt wird pro Stunde und nicht für den Erfolg.

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Anwälte – Zauberer in schwarz

Befürworter des Systems (also gut verdienende Anwälte) führen ins Feld, dass gute Arbeit eben ihren Preis habe, jeder Fall einzigartig sei und eine entsprechende Behandlung verdiene. Und tatsächlich lässt sich dem aus Sicht der Mandanten wenig entgegnen, denn Anwälte agieren in einer Black Box, in die der Mandant so wenig hereinschauen kann wie der Zuschauer in die Trickkiste einer Zauberschau. Diese Geheimnisse werden auch deshalb so sehr gehütet, weil sonst keiner den Eintritt zahlen würde.

Tatsache ist, dass es bei diesem System keinerlei Anreize für effizientes Arbeiten gibt, aber starke Anreize dagegen. Das hat nicht nur mit dem Stundenmodell, sondern auch mit den befassten Mitarbeitern zu tun. Gerade große Kanzleien brüsten sich damit, die besten Absolventen zu beschäftigen. Was sie dabei aber verschweigen ist, dass diese Absolventen wie alle Berufsanfänger wenig Ahnung von dem haben, was sie machen. Sie haben die Härtetests der Examina überstanden, aber nur selten wirklich Ahnung von dem Rechtsgebiet, das sie in der Großkanzlei bekleiden, und fast nie von dessen prozessualen und praktischen Anforderungen. Der erfahrene Partner wirbt die Mandate ein – ein Greenhorn arbeitet sie ab. Und natürlich dauert dies um ein Vielfaches länger als wenn sein Chef damit befasst wäre. So zahlen die Mandanten unwissentlich die berufspraktische Ausbildung der jungen Juristen. Und darum haben die Kanzleien auch keinen Anreiz, die Anfänger zielgerichtet auszubilden oder ein solides Wissensmanagement-System aufzubauen. Denn Hauptaufgabe der Partner ist das Einwerben von Mandaten, die erfahrenen angestellten Kollegen verteilen die Aufgaben und die unerfahrenen Berufseinsteiger führen sie aus. So kann ein jeder Newbie die immer gleichen Fehler wiederholen und wird dafür auch noch fürstlich bezahlt – zumindest absolut und nicht pro Stunde. Denn Berufseinsteiger in Top-Kanzleien verdienen heutzutage um die 100.000 Euro jährlich. Da dies auch für ihre Arbeitgeber keine Peanuts sind, müssen die Neuzugänge wie eine teure Maschine gut ausgefahren werden: je mehr Stunden sie abarbeiten, desto rentabler werden sie. Leider gibt es nur in wenigen Fällen einen Bonus für diese Mehrarbeit geschweige denn eine ordnungsgemäße Abgeltung der ungezählten Überstunden. Das übernimmt nämlich das Schmerzensgeld alias Gehalt und kein Anwalt hat sich bislang in seiner Zunft verbrannt, indem er gegen diese offensichtlich gesetzeswidrige Praxis geklagt hat. Wir kommen also zum Ergebnis, dass die Jungen auf ineffiziente Weise Stunden buttern, die der Mandant im Glauben an eine Spitzenrechtsberatung auch zahlt.

Wie sieht dann diese hochbezahlte Arbeit aus? Wenn ein junger Anwalt mit einer neuen Aufgabe betraut wird, durchstöbert er die kanzleiinterne Vorlagengrube nach Vergleichbarem. Da an effizientem Wissensmanagement kein Euro verdient wird, findet der Kollege wenig und findet höchstens etwas, wenn er selbst schon eine ähnliche Aufgabe gehabt hat. Fehlt es auch hieran, durchforstet er die gängigen juristischen Datenbanken wie Beck-Online. Egal woher er die Vorlage nun kopiert hat, er passt diese in Word nun „individuell“ an den Fall an. Diese Anpassung kann aber beliebig banal werden. So kann das Dokument auf einen männlichen Mandanten ausgerichtet sein, aber nun eine Frau handeln, so dass der Anwalt – und nicht etwa ein Angestellter ohne zwei Staatsexamina und ohne einen Stundensatz von 300 Euro – alle „er“ durch „sie“ und natürlich alle „sein“ durch „ihr“ ersetzt. Nur wenige Kanzleien leisten sich ein ordentliches Dateimanagement, so dass bei der Vorlagensuche und -anpassung nicht zu viel Zeit verloren geht. Die allerwenigsten Kanzleien pflegen ein Checklisten-System, wie in bestimmten Mandaten vorgegangen wird, denn so weiterwursteln wie bisher hat sich bezahlt gemacht. Die IT ist in der Regel ihrer Zeit hinterher und da Juristen es ohnehin nicht so mit der Technik haben, stört sie das auch nicht besonders.

Paradox: ein ganzes Team von Anwälten

Wenn ein Mandant sich mit einem „ganzen Team von Anwälten“ brüstet, das er hinter sich stehen hat, muss ich schmunzeln. Denn Anwälte arbeiten nie im Team – sie sind immer Einzelkämpfer. Das liegt schon an der marathonartigen Ausbildung, in der jeder auf sich gestellt ist, sich über 5 Stunden durch Klausuren zu kämpfen. Freilich könnte das Rennen auch eine Tour de France sein, in der jeder im Team arbeitet, sich gegenseitig schützt und im Windschatten der anderen nach vorne kommt. Doch so war es noch nie und es ist auch heute nicht. Nicht umsonst haben Juristen unter den Studenten das Image von rechthaberischen Soziopathen mit Ellebogen. Das Bücher-Verstecken und Nicht-Abschreiben-Lassen sind im Studium erlernte Skills – wie sollen dabei empathische und teamfähige Guides durch den Paragraphen-Dschungel raus kommen?

Wir haben also in den Kanzleien Büro an Büro einen Einzelkämpfer neben dem anderen und die Teamarbeit besteht in der Aufteilung des Falles in Einzelaufgaben, so dass bei großen Mandaten eine steile Hierarchie benötigt wird, das „Team“ zu „managen“. Wo aber soll die Motivation der Marathonläufer herkommen, wenn nicht gerade aus dieser Hierarchie? Sie haben nur die Aussicht, selbst einmal oben zu stehen und sich die Taschen voll zu machen mit dem, was die anderen buckeln. Das gute ist, dass sie den Ehrgeiz und die Zähigkeit im Studium erlernt haben und egal wie gering die Chancen sind, sie glauben an sich und die Partnerschaft nach vielen Jahren Abstrampelns. So rennen die jungen Anwälte über Jahren der Karotte hinterher, die ihnen die Partner vor die Nase halten. Kritker mögen von Sozialdarwinismus in Reinform reden, Befürworter betonen den Wettbewerb von und um Talente.

Ein Partner meiner Kanzlei musste auf einem Team-Event in dem Spiel Tabu einen Begriff erklären. Schnell rief er: „Die macht bei uns keiner“ und ein anderer Partner antwortete wie aus der Pistole geschossen: „Karriere!“ Karriere war der gesuchte Begriff. Beide lachten, ich lachte, nur einige meiner Kollegen fanden’s nicht lustig.

Wenn ich träumen dürfte, hätte ich ein Team aus einem IT-ler, einem Wissensmanager, einer Bürokraft und einem Anwalt, vllt dazu noch eines Recherche-Experten. Der Mandant zahlt fix, weil die Kanzlei Erfahrungswerte mit vergleichbaren Aufgaben hat und weiß, in welcher Zeit sie qualitativ hochwertige Arbeit verrichten kann. Da sie auch ihr Wissen managet und Experten einsetzt, geht das ganze auch ratzfatz. Natürlich geht hier die Kanzlei das Risiko der Mehrarbeit ein, aber das ist in der Dienstleistungswelt kein Novum und außerdem auch interessengerecht, denn bislang trägt dieses Risiko ganz alleine der Mandant. Mit solchen Fixkosten könnte ein Wettbewerb und gar eine Spezialisierung entstehen, die nicht nur dem Markt, sondern auch den Kanzleien helfen, ein Profil zu entwickeln.

Fixkosten alleine sind nicht die Lösung, denn wenn Kanzleien ihr System nicht ändern, kalkulieren sie wie bislang danach wieviel sie aus dem Mandanten herausschütteln können, ohne dass er davonrennt. Wer intern in Stunden rechnet, ist seiner Zeit hinterher. Es geht vielmehr um effiziente Arbeitsabläufe und IT, im optimalen Fall schafft ein gutes System die Hauptarbeit und der Anwalt überprüft nur noch das Ergebnis.

 

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